"Bitcoin hat keinen Wert"
Überlegungen zur Frage, ob Bitcoin einen Wert hat.
31.03.2023 - 783257
Einleitung
In diesem Artikel wird die Frage nach dem Wert Bitcoins behandelt. Es wird sicherlich keine für jeden passende Antwort gefunden und dies ist auch nicht das Ziel. Mit diesem Artikel wird lediglich eine Denkweise dargelegt und mit fundamentalen Ansätzen und Fakten untermauert, um möglicherweise Anregungen zum eigenen Schärfen des Blickes auf Bitcoin zu liefern. Damit die tiefgreifende Fragestellung nach dem Wert überhaupt diskutiert werden kann, ist es sinnvoll, sich die Theorie des Wertebegriffs anzusehen.
Wert als Begriff
Wert als Begriff wurde schon von etlichen Philosophen, Ökonomen und weiteren Denkern versucht zu definieren. Die Axiologie widmet sich beispielsweise als Lehre ausschließlich der Werttheorie. Eine Einigkeit über den Begriff wird wahrscheinlich nie erzielt werden und dieser Umstand wird verständlich in den Theorien und Schriften von Vertretern der österreichischen Schule beschrieben.
Nach dieser Denkschule existiert der Wert nicht in den Dingen selbst, sondern im Bewusstsein derer, die sie bewerten. Nach Carl Menger kann der Wert eines Gutes oder einer Dienstleistung nicht objektiv gemessen werden. Wert ist in seinen Augen immer subjektiv und dies ist die Grundlage für die von ihm aufgestellte Theorie des Grenznutzens. Nach dieser Theorie richtet sich der Wert eines Gutes nach dem Grenznutzen des Ziels, dem es dienen soll. Der Grenznutzen bezeichnet den Nutzenzuwachs, der sich durch den Konsum einer zusätzlichen Einheit eines Gutes einstellt. So kann beispielsweise ein Feuer in einer sehr kalten Umgebung über Leben und Tod entscheiden, aber ein zweites, drittes oder viertes Feuer fügt keinen weiteren Nutzen für die gesamte Situation hinzu. Der Grenznutzen definiert also den Nutzen der letzten konsumierten Einheit, die einen Bedarf befriedigt. Bei Hunger oder Durst kann man ähnliche Beispiele geben, da der Nutzen von Nahrungsmitteln oder Getränken sehr schnell sinkt, wenn die Grundbedürfnisse befriedigt sind. So kann bspw. eine Flasche Wasser in einer heißen, trockenen Umgebung wie einer Wüste von unermesslichem Wert sein. Die zweite, dritte und vierte Wasserflasche wird sicherlich auch noch als wertvoll erachtet. Je mehr Wasserflaschen aber zur Verfügung stehen, desto weniger wert wird jede Flasche als einzelne. Hat man zum Beispiel 1.000 Flaschen zur Verfügung, so ist das Grundbedürfnis an Wasser für eine lange Zeit gestillt und eine einzelne Flasche hat nur noch einen äußerst geringen Wert. Dieses Phänomen beschreibt den abnehmenden Grenznutzen eines Gutes.
Der Nutzen kann jedoch für jeden Menschen komplett individuell sein, was bedeutet, dass jeder Mensch seine eigene Bewertung vornimmt und somit eine subjektive Präferenzskala entwickelt. Diese Präferenzskalen können sich weiterhin ständig verändern und somit kann keine objektive Werteinschätzung vorgenommen werden.
Dies befähigt logischerweise auch erst einen (freien) Markt, da sich bei einer durchweg gleichen Bewertung und Einschätzung von Gütern und Dienstleistungen kein Handel oder auch keine Arbeitsteilung entwickeln würde. Ein Handel bedeutet niemals den Austausch von zwei gleichen Gütern, sondern erklärt den Vorgang, durch den alle am Handel Beteiligten Parteien nach Abschluss bessergestellt sind als davor. Dies erklärt ebenfalls die von Ludwig von Mises begründete Theorie der Praxeologie im wirtschaftlichen Sinne. Grundsatz ist, dass der Mensch handelt. Der Mensch führt also bewusste Handlungen zum Erreichen bestimmter, persönlicher Ziele aus. Genau wie die Ziele, ist also auch der Wert individuell.

Intrinsischer Wert als Konzept
Wert ist, wie dargestellt, sehr paradox und zeigt, dass Menschen Dinge zwar subjektiv aber nicht völlig willkürlich bewerten. Dinge, die von Menschen wertgeschätzt werden, haben oftmals bestimmte Eigenschaften. Die meisten Dinge, die wir als wertvoll erachten, sind nicht einfach zu replizieren bzw. selten, sind arbeitsintensiv in der Herstellung, durch die Natur limitiert oder können schlichtweg nicht ersetzt werden.
So erachten wir beispielsweise gewisse Bodenschätze, wie Gold oder Diamanten als wertvoll, da sie selten sind und nur durch viel Arbeitsaufwand zu Tage gefördert werden können. Ein handschriftlicher Brief oder der vererbte Gegenstand einer geliebten Person kann ebenfalls als wertvoll erachtet werden, da man vielleicht eine Kopie machen kann oder eventuell den gleichen Gegenstand neu kaufen kann, aber es wird niemals das gleiche sein, wie das Original.
Wert anhand verschiedener nicht willkürlich ausgewählter Eigenschaften entsteht also tatsächlich im eigenen Bewusstsein. Intrinsischer Wert ist nach diesem Gedankenkonzept daher nicht vorhanden.
Nachdem das Grundkonzept erklärt ist, wird im nächsten Abschnitt überprüft, ob Bitcoin die Eigenschaften, die für die Masse der Menschen Wert ausmacht, besitzt oder nicht.
Bitcoins Eigenschaften
Grundsätzlich gilt, dass von Natur aus im Überfluss vorhandene Dinge nicht wertgeschätzt werden. Bitcoin ist digital und kann deswegen sicherlich unendlich kopiert werden?
Diese Annahme ist nicht korrekt. Bitcoin ist das erste digitale Gut, welches nicht kopiert werden kann. Wenn man es versendet, ist es nicht mehr im eigenen Besitz. Anders, als wenn man ein digitales Foto oder eine Textdatei versendet. Bei diesen herkömmlichen Dateien versendet man immer nur eine Kopie der Datei. Das bedeutet man ist nach dem Prozess des Versendens immer noch im Besitz der Datei.
Bitcoin umgeht dieses Prinzip durch eine Reihe technologischer Raffinessen, die nachstehend vereinfacht erklärt werden. Zum einen beruht Bitcoin auf dem Prinzip der Verschlüsselung durch öffentliche/private Schlüsselpaare. Private Schlüssel werden benötigt, um wie mit einem digitalen Fingerabdruck nachzuweisen, dass man die Summe an Bitcoin versenden darf, die über den zugehörigen öffentlichen Schlüssel empfangen wurden. Es ist also eine Signatur im digitalen Raum, die verifiziert, dass man eine Transaktion durchführen möchte. Nach Ausführung der Transaktion wird das verteilte Kassenbuch (bekannter unter dem Begriff Blockchain) aktualisiert und auf jeder Kopie dieser Transaktionshistorie wird hinzugefügt, dass man Bitcoin an eine andere Adresse versendet hat.
Durch die Dezentralität ist es bereits nahezu unmöglich jede Kopie der Transaktionshistorie zu manipulieren und eine Bitcoin-Transaktion rückgängig zu machen oder erneut auszuführen (zu kopieren). Hinzu kommt nun aber noch das Proof-of-Work-Konzept, das sogenannte Mining, welches ein Tor von der digitalen in die physische Welt schafft.

Durch den Energieverbrauch, den die speziellen, nur für das Mining entwickelten Computer haben, wird es für einen Angreifer noch unrealistischer einen Double Spend (das doppelte Ausgeben derselben Bitcoin-Einheit) auszuführen.
Der Angreifer des Systems müsste durch die Beschaffenheit und Funktionsweise des Netzwerks mehr als 50% der gesamten im Netzwerk zur Verfügung stehenden Energie kontrollieren, um den Proof-of-Work-Algorithmus schneller auszuführen als der Rest des Netzwerks zusammengeschlossen.
Um diese Kontrolle zu erlangen wäre enormes Kapital notwendig, da die Hardware nicht günstig ist, weiterhin sind Computerchips nicht dauerhaft in rauen Mengen vorhanden, was bedeutet, dass die Vorbereitung auf die Attacke auf das Netzwerk nicht unbemerkt bleibt. Dies würde die Spieltheorie von Bitcoin auslösen: mehr Mining-Power bedeutet, mehr Sicherheit, mehr Sicherheit bedeutet mehr Allokation von Kapital, mehr Kapital bedeutet einen steigenden Preis. Ein steigender Preis bedeutet höheren Anreiz für das Mining von Bitcoin, was wiederum neue Leute anzieht, die ebenfalls Hardware an das Netzwerk anschließen und somit das Ziel der über 50% Hashing-Power (Mining-Power) weiter verschiebt.
Selbst wenn all diese Hürden umgangen werden und der Angreifer es schafft mehr als 50% der Mining-Power zu kontrollieren ist es nicht lohnend, nur einen Double Spend auszuführen. Mit dem Equipment und dem vorangegangenen Kapitalaufwand wäre es sehr viel profitabler, nach den Regeln zu spielen und ehrlich Bitcoin zu minen und somit vom Netzwerk durch den Block Reward (neu ausgeschüttete Bitcoin nach Finden eines neuen Blocks) belohnt zu werden. Bitcoin bezahlt dafür, dass nach den Regeln gespielt wird und schafft ein Anreizsystem, welches kaum Angriffspunkte bietet.
Wir stellen fest, dass Bitcoin-Einheiten nicht kopiert werden können.
Ein verlorener privater Schlüssel bedeutet ebenfalls, dass das zugehörige Guthaben für immer verloren ist. Es gibt keine Möglichkeit dieses zurückzuholen, ebenfalls durch die oben beschriebenen Technologien und die Dezentralität des Netzwerks per se.
Bitcoin kann somit nicht einfach ersetzt werden.
Weiterhin ist Bitcoin, durch den im Code festgeschriebenen Schöpfungszeitplan, auf knapp 21 Millionen Einheiten begrenzt. Durch die Verteilung des Codes auf tausende Computer weltweit kann diese Tatsache nicht geändert werden.
Bitcoin ist daher sehr knapp.
Durch das alle zwei Wochen auftretende sogenannte Difficulty Adjustment wird geprüft, wie viel Energie momentan in das Netzwerk fließen. Je nachdem, ob sich die sogenannte Hashrate (Messwert für die beim Mining aufgewendete Energie) in dem Zeitraum erhöht oder verringert hat, wird ein technischer Schwellenwert angepasst, so dass im Schnitt alle 10 Minuten ein neuer Block gefunden wird. Hinzu kommt, dass alle vier Jahre das sogenannte Halving auftritt und die neu ausgeschütteten Bitcoin-Einheiten pro Block halbiert werden. Dies bedeutet, dass auch wenn der Takt der neuen Blöcke gleich bleibt die Anzahl der neu ausgeschütteten Bitcoin-Einheiten abnimmt. Der Schöpfungszeitplan bleibt daher unberührt.
Ergo ist Bitcoin nur mit steigender Schwierigkeit zu produzieren, da die Anzahl neuer Einheiten immer weiter limitiert wird. Weiterhin bleibt Bitcoin unabhängig vom Energieaufwand immer gleich knapp.
Bitcoin ist somit das erste Gut, das digitale Knappheit abbildet. Es ist außerdem das erste und vermutlich einzige Gut, das als digitales Eigentum betrachtet werden kann. Dies bringt weitere Vorteile mit sich, die man sich zu Nutze machen kann. Durch die Technologie der Private Keys könnte sich jede x-beliebige Summe im Kopf gemerkt werden, denn wer Zugang zu dem Schlüssel in Form von 12-24 englischen Wörtern hat, hat Zugang zu den hinterlegten Bitcoin-Einheiten. Bitcoin ist somit ein Werkzeug für Souveränität bzw. Selbstbestimmtheit. Bitcoin kann unbemerkt über Ländergrenzen hinweg transportiert werden. Niemand kann wissen, dass man selbst im Besitz von Bitcoin ist und es bietet somit einen Schutz vor Übergriffen und Konfiszierung.
Durch die Zensurresistenz und die Unabhängigkeit von einer zentralen Institution ist Bitcoin ein Mittel für persönliche Freiheit und den individuellen Schutz vor Banken, Staaten und anderen Gewaltmonopolen, welche Macht ausüben können. Man kann Bitcoin ohne Clearing-Stellen, horrende Gebühren oder Fragebögen um die ganze Welt verschicken, ohne dass die Transaktion von jemandem aufgehalten werden kann. Auch wenn dies, gerade in der westlichen Hemisphäre, nicht als erstes Merkmal von Bitcoin und vielleicht auch nicht als Notwendigkeit gesehen wird, so braucht man nur nach Südamerika oder Afrika zu schauen, um zu sehen, wie Bitcoin Menschen befähigt, ihre eigene Bank zu sein und somit sich selbst und Angehörige finanziell zu schützen.
Der Wert von Bitcoin erwächst also nicht aus einer Spekulation oder Blasenbildung, sondern aus dem Versprechen eines freien, nicht manipulierbaren und finiten, also begrenzten, Geldsystems. Diese Eigenschaften sind im Bewusstsein derer, die Bitcoin studieren und bewerten verankert. All die aufgezählten Eigenschaften werden weiterhin durch spieltheoretische Konzepte, Netzwerkeffekte und allgemeine Geschehnisse in beispielsweise der Makroökonomie verstärkt und bilden somit den Anreiz, Bitcoin zu nutzen. Ob als Schutz vor Geldentwertung, Schutz vor Interventionen oder als einfache Methode zu handeln.
Eine steigende Teilnehmerzahl im Netzwerk erhöht den Grenznutzen, da für ein Geldsystem wichtig ist, ob das zu Grunde liegende Gut (in diesem Fall Bitcoin) von den Markteilnehmern akzeptiert wird. Für Bitcoin spielen Netzwerkeffekte daher eine große Rolle und tragen weiter zur Erhöhung des Nutzens bei.
Der „Konsum“ von Geldeinheiten hat immer einen persönlichen Nutzen. Man kann selbstverständlich darüber debattieren, ob es für Geld einen Grenznutzen gibt, aber es ist nicht abzustreiten, dass Bitcoin vor dem dargelegten Konzept der Beurteilung über die Fragestellung einen Nutzen und somit einen Wert hat. Ob dieser Wert für einen selbst zutrifft, entscheidet die Notwendigkeit und die eigene Präferenzskala, also jeder Mensch für sich selbst.

Abschließende Überlegungen
Die eigene (Lebens-) Zeit ist das knappste Gut für jeden Menschen. Bei der eigenen Zeit wird sich kein Grenznutzen erkennen lassen, somit sollte die eigene Zeit auch den höchsten Wert für einen persönlich haben. Wenn wir Zeit nun einen Wert zuschreiben, so ist dieser ebenfalls wieder subjektiv. Trotzdem kann man sich überlegen, womit man Zeit verbringt. Verbringen wir Zeit beispielsweise damit zu arbeiten, so tun wir dies, um Zeit gegen Geld zu tauschen und danach für die Arbeit anderer zu bezahlen. Zeit ist daher wieder ein Wert in diesem getätigten Handel. Dies ist der Grund, warum Zeit, Arbeit und Geld unzertrennlich verknüpft sind. Zeit und Arbeit (und Bitcoin) sind die einzigen Dinge auf der Welt, die man nicht fälschen kann.
Somit erklärt sich auch, warum viele Menschen für die Einschätzung eines Wertes oben genannte Eigenschaften (Knappheit, Schwierigkeit der Herstellung, Schwierigkeit zu Kopieren) nennen oder intuitiv verstehen. Diese Konzepte sind mit der menschlichen Psyche verschmolzen. Jedem ist bewusst, dass Zivilisation, Wohlstand und Fortschritt das Ergebnis von harter Arbeit und somit von geopferter Zeit sind.
Das höchste Bestreben der Menschheit war es immer gewesen, seine geleistete Arbeit in die Zukunft zu transportieren, um später davon zu profitieren oder den eigenen Nachfahren etwas zu vermachen. Ein Zeitspeicher wird somit für das jeweilige Individuum zum Wertspeicher, da die eigene Zeit den höchsten Wert hat.
Der einzige Weg, der es uns ermöglicht, Zeit in die Zukunft zu transportieren, ist ein Gut, welches allgemein akzeptiert wird und mit dem wir handeln können, ergo eine Form von Geld. Die Geschichte von Geld ist aber bisher auch immer eine Geschichte von Entwertung. So hat Gold, das bisher älteste Geld der Menschheit, eine jährliche Inflationsrate von ca. 2%. Die heutzutage benutzten Währungen haben keine Wertspeicherfunktion, da sie nicht, wie Gold durch Arbeitsaufwand, sondern durch Knopfdruck entstehen und somit durch nichts gedeckt oder begrenzt sind. Das, was wir als Geld bezeichnen (Euro, Dollar, Yen ...) ist ein Gut, welches weder selten noch schwierig herzustellen ist.
Wir tauschen unser wertvollstes Gut, unsere Zeit, daher gegen ein zentral kontrolliertes und durch Zentralbanken nach Belieben kostenlos herstellbares Gut ein.
Ob Bitcoin, als ein dezentrales, nicht manipulierbares, nicht willkürlich inflationierbares und zensurresistentes Geld, nun für dich als Leser einen Wert hat, musst du selbst entscheiden.
Referenzen und weiterführende Links
"Economic Teachings of Bitcoin" - Inspiration aus "Lesson 10: Value", Der Gigi
"Human Action", Ludwig von Mises erklärt grundlegende ökonomische Konzepte in seinem Magnum Opus
"Die Werttheorie der Österreichischen Schule" - Erklärung zur Werttheorie