"Bitcoin wird nur von Kriminellen genutzt"


Die pseudonyme Netzwerkstruktur bringt nur Leuten etwas, die etwas zu verstecken haben und in kriminelle Geschäfte verwickelt sind.
 

Warum Bitcoin mehr ist als das Geld von Kriminellen.


31.01.2022 - 721217


Einleitung


Bitcoin per se ist neutral und apolitisch, ähnlich Bargeld oder das Internet. Als ein solches Werkzeug gibt es natürlich Eigenschaften, die sowohl für "gute" als auch für "schlechte" Akteure Vorteile bringen können. Bitcoin ist nicht für Kriminelle, Bitcoin ist für jedermann.

 

Bitcoin für die Verwendung in kriminellen Aktivitäten zu kritisieren, ist vergleichbar mit der Kritik an Bargeld für die Verwendung in illegalen Aktivitäten oder der Kritik am Internet für das Dark Web und illegale Marktplätze. Bitcoin ist neutral. Bitcoin bietet neuartige Eigenschaften, die einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft haben. Dies kann natürlich auch von "schlechten" Akteuren ausgenutzt werden, die sich die dezentralen und zensurresistenten Eigenschaften von Bitcoin zunutze machen.

 

Dieser Artikel dient nicht dazu kriminelle Handlungen schönzureden oder diese zu verteidigen. Vielmehr soll gezeigt werden, welche Eigenschaften Bitcoin so wertvoll machen und warum es falsch ist Bitcoin zu verteufeln, weil Kriminelle dieses Geld nutzen oder nutzen könnten.


Bitcoin und Kriminalität


Dass Bitcoin für illegale Handlungen genutzt wurde steht nicht zur Debatte und ist in vielen Quellen zu finden. Gerade in den Anfangsjahren wurde Bitcoin dadurch bekannt und erlangte mehr Aufmerksamkeit durch Marktplätze wie Silk Road, welche Waren vertrieben, die in den meisten Ländern als illegal gelten.

Zu glauben, dass der Hauptnutzen von Bitcoin in illegalen Transaktionen besteht ist allerdings grundlegend falsch und deutet auf schlechte Recherche oder Naivität hin.

 

Bitcoin ist ein Werkzeug, ein Geldsystem. Damit ein Geldsystem funktioniert muss dieses verschiedene Voraussetzungen erfüllen. In diesem speziellen Fall ist es ein zensurresistentes, grenzenloses, transparentes und auf eine feste Anzahl begrenztes System. Der Nutzen sind also der tägliche Gebrauch, große oder kleine Transaktionen und die Möglichkeit eines inflations- und pfändungsresistenten Wertaufbewahrungsmittels. Diese fundamentalen Eigenschaften funktionieren für alle Teilnehmer des Systems gleich. Die Frage ist also, ob Bitcoin an sich funktional ist. Lautet die Antwort ja, wie im Moment und den letzten Jahren seit der Einführung, heißt es, dass das Netzwerk funktional für jeden ist - inklusive Kriminellen. Lautet die Antwort nein dann gilt das ebenfalls für jeden - inklusive Kriminellen.

 

Kriminelle beanspruchen eine große Anzahl an Werkzeugen, Systemen und Netzwerken um Verbrechen zu begehen. Davon betroffen sind Straßen, das Internet, Postwege, Flughäfen, Banken, Bargeld, Schiffshäfen etc. All diese maßgeblich in die Gesellschaft integrierten Schnittpunkte werden ebenfalls von Kriminellen genutzt. Ebenso können sie aber auch von Kriminellen genutzt werden ohne, dass sie eine Straftat begehen. Verbrechen sind Verbrechen. Es gibt nichts an den Werkzeugen, die zur Erleichterung von Verbrechen verwendet werden, was die Werkzeuge an sich kriminell macht.

Wenn man mit dem Dollar oder Euro Lebensmittel kauft ist das in Ordnung. Wenn mit dem Geld Rauschgift kauft dann ist das in der momentanen Gesetzeslage zweifelsfrei eine Straftat. Dasselbe Prinzip gilt für Bitcoin. Wenn man Bitcoin aus diesem Grund abschaffen oder verbieten möchte dann müsste man im selben Atemzug auch ein Verbot für den Dollar oder Euro fordern.

Man kann also nicht jede Person unter Generalverdacht stellen in kriminelle Handlungen verwickelt zu sein nur weil sie Bitcoin benutzt.




Die richtige Perspektive


Bitcoin wurde und wird für Straftaten benutzt aber wenn man die Tatsachen herunterbricht und vom gesetzlichen Rahmen einmal absieht haben Webseiten wie Silk Road nur eines bewiesen: Bitcoin kann für jegliche Art von Handel betrieben werden, weil das Netzwerk und das Protokoll funktionieren. Wenn also Bitcoin für beispielsweise Drogendealer funktioniert warum soll es dann nicht auch für jede andere Art von Handel funktionieren? Bitcoin kann als Zahlungsmittel für jede Ware oder jede Dienstleistung auf der Welt akzeptiert werden wenn sich die Parteien, die an dem Austausch beteiligt sind, einig sind.

Im Rahmen von Silk Road war Bitcoin einfach ein Zahlungsmittel, das so gut funktioniert hat, dass Dealer ihre Ware gegen dieses Zahlungsmittel eingetauscht haben. Sie schienen verstanden zu haben, dass es eine ausreichende Marktnachfrage nach Bitcoin gab, um diese Geldform als Tauschmittel nutzbar zu machen.

Weiterhin wurde durch die Existenz von Bitcoin nicht auf die Nutzung von beispielsweise Dollar im Drogengeschäft verzichtet. Ebensowenig stoppte die Geldwäsche zurück ins Dollar-System. Der Dollar blieb nach wie vor die beliebteste Währung zur Abwicklung von illegalen Geschäften. Wäre Bitcoin nicht funktionsfähig und würde man nicht erwarten, dass er über einen bestimmten Zeitraum einen bestimmten Wert behält, wäre er nicht als Tauschmittel auf der Silk Road verwendet worden. Drogenhändler wollen schließlich auch kein Geld verlieren.

Der Fokus nur auf kriminelle Geschäfte lenkt von den eigentlich wichtigen Fragen rund um den Bitcoin ab: "Warum funktioniert Bitcoin überhaupt so gut als Tauschmittel?" und "Wenn Bitcoin für Kriminelle funktioniert, könnte es für jeden funktionieren und damit Bitcoin als Währung lebensfähig ist, muss es dann nicht für jeden funktionieren, auch für Kriminelle?" Wenn es möglich wäre einzelne Bitcoin-Transaktionen zu stoppen oder einzelne Netzwerkteilnehmer zu zensieren, bei denen klar ist, dass sie Bitcoin für illegale Zwecke verwenden werden dann wäre es ebenso möglich jede andere Person zu zensieren oder auszuschließen. Einige Themen, wie die Zensurresistenz, sind eben in diesem Geldsystem so wichtig, dass sie andere Bedenken überlagern.

Zensurresistenz ist die wichtigste Eigenschaft des Bitcoin-Netzwerks, weil sie sicherstellt, dass die Regeln des Netzwerkes nicht willkürlich geändert werden können. Ohne diese Regeln wäre das System nicht funktionsfähig. Die wichtigste dieser Regeln ist die digitale Knappheit der Währung selbst. Bitcoin wird mit zunehmender Verbreitung resistenter gegen Zensur, weil das Netzwerk mit der Zeit dezentraler wird. Mit zunehmender Verbreitung kontrolliert jeder Einzelne (im Durchschnitt) einen immer geringeren Anteil des festen Angebots des Netzwerks, und es ist die Knappheit der Währung, die die Verbreitung in erster Linie vorantreibt. Mit zunehmender Dezentralisierung des Netzwerks wird es für jeden Einzelnen oder jedes Unternehmen immer schwieriger, das Netzwerk zu zensieren. Ob der Bitcoin jedoch zu einem bestimmten Zeitpunkt ausreichend zensurresistent ist, ist letztlich unbekannt und kann praktisch nicht festgestellt werden. Stattdessen kann die Zensurresistenz nur durch den Test der Zeit und durch jeden gescheiterten Versuch, das Netzwerk zu zensieren, gemessen werden.

Aber was ist mit den Kriminellen, und was hat das mit ihnen zu tun? Wenn es möglich wäre, kriminelle Aktivitäten innerhalb des Netzwerks zu zensieren, indem man entweder den Zugang zum Netzwerk sperrt oder verhindert, dass ansonsten gültige Transaktionen bestätigt werden, würde dies zeigen, dass das Netzwerk nicht ausreichend dezentralisiert ist, um Zensurresistenz zu gewährleisten. Das Bitcoin-Netzwerk hat kein Verständnis für Kriminalität oder dafür, wer sie definiert. Es ist amoralisch und unpolitisch.

Wenn kriminelle Handlungen zensiert werden könnten, wäre dies der Beweis dafür, dass jede Handlung zensiert werden kann. Doch damit ist es noch nicht getan. Wenn jede Aktivität innerhalb des Netzwerks zensiert werden könnte, wäre das Netz als Ganzes zensierbar. Durch den Nachweis, dass eine einzelne Transaktion verhindert oder zensiert werden könnte, würde nachgewiesen, dass die grundlegenden Konsensregeln des Netzes gefährdet wären.

Bitcoin kann nicht "ein bisschen" zensurresistent sein. Zensurresistenz ist die Essenz des Netzwerks und somit alles oder nichts.

Wenn Bitcoin nicht zensurresistent ist und somit nicht ausreichend dezentral dann sind alle Regeln und alle Teilnehmer in Gefahr. Der Konsensmechanismus, das Anreizsystem um Bitcoin, der Mining-Zeitplan und die Gesamtsumme an Einheiten. Man muss akzeptieren, dass ein gewisser Teil immer für illegale Aktivitäten genutzt wird so wie es mit jeder herkömmlichen Währung der Fall war und noch ist. Wenn irgendjemand verhindern könnte, dass jemand anderes das Netzwerk nutzt, sei es eine Einzelperson, eine Organisation oder ein Staat, wäre Bitcoin vom Scheitern bedroht.

Wenn es nicht möglich ist, die am stärksten gefährdeten Aktivitäten zu zensieren, würde dies bestätigen, dass Bitcoin in allen Fällen zuverlässig funktioniert.

Letztlich stellt Bitcoin einen technologischen Fortschritt im globalen Wettbewerb um Geld dar. Als überlegener Nachfolger der bestehenden Fiat-Geldsysteme, auch wenn dies heute weitestgehend noch nicht verstanden wird.

Zahlen und Vergleich


Natürlich ist nicht nur die Perspektive entscheidend sondern auch eindeutige Fakten. In diesem Abschnitt wird Bitcoin mit dem Dollar verglichen. Der Dollar steht hier repräsentativ für alle Fiat-Währungen, da es die Leitwährung ist und somit auch die Währung, die am Meisten genutzt wird.

Bitcoin ist durch die zu Grunde liegende Blockchain-Technologie von Hause aus sehr transparent. Jede jemals getätigte Transaktion ist in diesem öffentlichen Register einsehbar. Weiterhin ist Bitcoin nicht anonym, wie lange verbreitet, sondern pseudonym. Das bedeutet auch, dass es mittlerweile einige Firmen gibt, die sich darauf spezialisiert haben Transaktionen zu Einzelpersonen zurückzuverfolgen und die genutzten Bitcoin-Empfangsadressen mit der Identität der Person zu verknüpfen. Die Schnittstelle sind meistens die Börsen bei dem Bitcoin wieder in Fiat getauscht wird. Natürlich gibt es ebenfalls technologische Lösungen um die Herkunft oder den Weg des Guthabens zu verschleiern aber im Allgemeinen ist Bitcoin durch den Aufbau des Netzwerks wesentlich transparenter und besser nachverfolgbar als Bargeld. Dadurch ist es nicht mal zwangsläufig so attraktiv Bitcoin für illegale Geschäfte zu benutzen.

Dies bestätigt sich auch in einigen Reports, die zeigen, dass die illegale Nutzung stetig abnimmt. So wurde festgestellt, dass im Jahr 2020 nur 0,5% des gesamten Transaktionsvolumens im Bitcoin-Netzwerk für illegale Aktivitäten genutzt wurden. Im Jahr 2021 lag das abgewickelte Transaktionsvolumen bei über 12 Billionen $, unter anderem mehr als das von American Express.

Weltweit sollen jährlich schätzungsweise zwischen 2% und 5% des globalen BIP, also zwischen 1,6 Billionen bis 4 Billionen Dollar, für illegale Transaktionen genutzt werden. Die gesamte Nutzung von Bitcoin für solche Zwecke nimmt bisher stetig immer weiter ab. Der Dollar, beziehungsweise auch Fiat-Währungen im Allgemein sind also für illegale Zwecke sehr viel beliebter. Für jede Darknet-Transaktion, die in Bitcoin getätigt wurde und dem Gegenwert von 1$ entsprach wurden im Jahr 2020 ca. 800$ in bar durch Geldwäsche-Aktivitäten verschleiert.

Dass Bitcoin oft mit Verbrechen oder Betrug in Verbindung gebracht wird kann natürlich auch durch den Sachverhalt begünstigt werden, dass der Großteil der Menschen noch immer nicht zwischen "Crypto" und Bitcoin unterscheidet. Keine andere Kryptowährung hat etwas mit Bitcoin zu tun. Die "Crypto-Industrie" ist besonders anfällig für sogenannte Exit-Scams, Rugpulls und andere Arten von Betrügereien oder Hacks. Die größten Hacks von schlecht programmierten Smart-Contracts finden bei anderen Kryptoprojekten statt. In diesen tausenden Coins und Tokens ist dies nahezu an der Tagesordnung, ebenso wie sogenannte "Pump & Dump Schemes". Es zeigt sich, dass der größte Teil von Vermögen, welches aus illegalen Zwecken stammt oder dafür benutzt wird über "Altcoins" bewegt wird. Gestohlenes Guthaben und Betrug, wie durch die oben aufgezählten Möglichkeiten, ist der Hauptfaktor dabei.

Mit dem rasanten Wachstum von DeFi-Protokollen wuchs ebenfalls die Menge an gestohlenem Vermögen. Diese Protokolle schaffen für Kriminelle ganz neue Möglichkeiten. Im Jahr 2020 wurden in der DeFi-Szene knapp 162 Millionen Dollar an Kryptowährungen gestohlen, was 31% des gesamten Betrages entspricht, der überhaupt in diesen Protokollen angesammelt wurde. Diese Summe bedeutete bereits einen Anstieg von 331% gegenüber dem Vorjahr. Im Jahr 2021 ist diese Zahl allerdings nochmals um 1.330% gestiegen, das ist das 13-fache.

Die meisten medienwirksamen Berichte über gestohlenes Vermögen, riesige Betrugsmaschen und Hacks haben also nichts mit Bitcoin zu tun. In den Köpfen der meisten Menschen wird aber immer die direkte Verbindung zwischen dem Wort "Kryptowährungen" und Bitcoin hergestellt. Bitcoin war zwar die erste Kryptowährung aber es bleibt auch die Einzige in seiner Klasse. Dieses Verständnis ist wichtig, da sonst ein falsches Bild vermittelt wird. Das soll jedoch nicht heißen, dass im Bitcoin-Netzwerk niemand Betrügern zum Opfer fällt. Auch in diesem Netzwerk gibt es selbstverständlich Leute, die sich als angebliche Broker ausgeben und immense Renditen durch angebliche Tradingbots versprechen oder durch Beispielsweise Phishing versuchen an die eigenen Passphrases oder andere wichtige Informationen zu gelangen. Der Unterschied ist allerdings, dass all diese Betrügereien nicht dem Bitcoin-Protokoll schädigen. Bitcoin selbst kann nicht gehackt werden. Börsen, also Tauschplätze zwischen Bitcoin und Euro, können gehackt werden wodurch Coins verloren gehen oder der eigene Computer oder das Smartphone mit einer Hot-Wallet könnte gehackt werden. Das Protokoll selbst ist allerdings unantastbar gegenüber dieser Art von Kriminalität.

Dieser Unterschied zwischen Bitcoin und den restlichen "Kryptowährungen" zu verstehen ist von immenser Wichtigkeit. Die einzigen (onlinebasierten) Möglichkeiten für einen Kriminellen an Bitcoin von einer anderen Person zu kommen ist also durch Social Engineering, das Beeinflussen der Person, Phishing oder hacken der Wallet bei einem Online-Drittanbieter (also wenn Bitcoin als Custody-Lösung gespeichert sind). Bitcoin ist dadurch im Gegensatz zu dem Großteil der anderen "Crypto-Projekte" komplett selbstbestimmt.

Wenn auf Online-Angebote von Custody-Wallets verzichtet wird kann Bitcoin im übertragenen Sinne, wie Bargeld, nur aus dem eigenen Portemonnaie gestohlen werden.

Zusammenfassung


Man kann folgendes Resümee ziehen: Bitcoin ist ein Geldsystem, welches natürlich auch von Kriminellen genutzt wurde und auch wird. Dies ist allerdings für jedes Geldsystem der Fall. Nur aus diesem Grund Bitcoin abzulehnen oder ein Verbot zu fordern ist naiv und nahezu doppelzüngig, da das bestehende System in einem viel größerem Ausmaß für kriminelle Aktivitäten genutzt wird. Bitcoin ist durch die technologischen Grundkonzepte äußerst transparent und erlaubt eine exakte Nachverfolgung der Transaktionen und dafür genutzten Empfangsadressen. Diese Transparenz kann technologisch umgangen werden aber, wie erwähnt, wird es immer und in jedem Netzwerk Teilnehmer geben, die rechtswidrig handeln und somit auch entsprechende Möglichkeiten.

Weiterhin ist es wichtig zwischen Bitcoin und anderen Projekten zu unterscheiden, da sonst ein verzerrtes Bild entsteht.

Bitcoin wird also keineswegs nur von Kriminellen benutzt. Die meisten Bitcoiner sind ganz normale Menschen, die ein Geld nutzen möchten, welches unantastbar, erlaubnisfrei, grenzenlos und unberührt von Inflation ist .

 
 
 
 

Referenzen und weiterführende Links


Warum jeder ein Betrüger ist - ein Artikel von Michael Goldstein

Analyse zu Betrug und Geldwäsche (Feb. 21) - Ciphertrace

Transferierte Werte im Bitcoin Netzwerk - Twitter-Account Galaxy Research

Falsches Narrativ zum Thema Bitcoin und kriminellen Aktivitäten - Forbes-Artikel

Analyse und Ausblick zu illegalen Aktivitäten - Chainalysis